Der BGH hat in seinen Urteilen vom 16.10.2018 – VI ZR 459/17 und 10.07.2018 – VI ZR 263/17 festgestellt, dass ein Verstoß gegen § 32 Abs. 1 S. 1 KWG Schadensersatzansprüche des Kapitalanlegers nach § 823 Abs. 2 BGB rechtfertigen kann.
Bestimmte (Bank-)Geschäfte dürfen in Deutschland nur von Banken durchgeführt oder gegenüber Kunden angeboten werden. Für diese Geschäfte benötigt man eine Erlaubnis nach § 32 KWG. Besitzt ein Unternehmen diese Erlaubnis nicht, darf es diese Geschäfte nicht führen bzw. Produkte nicht dem Kunden anbieten. Macht er es trotzdem, liegt ein Verstoß gegen § 32 KWG vor.
Im § 823 BGB wiederum werden Schadensersatzansprüche wegen deliktischer Handlungen geregelt. Nach § 823 Abs. 2 BGB wird hier auch das Vermögen geschützt, sofern ein Verstoß gegen ein sognannte Schutzgesetz vorliegt. Nicht jede Rechtsnorm ist ein Schutzgesetz. Rechtssicherheit, ob eine Norm ein Schutzgesetz ist, liegt abschließend i.d.R. erst dann vor, wenn der BGH sich dazu entsprechend geäußert hat. Wichtig dabei ist, dass die Norm u.a. dem Schutz des Einzelnen und nicht nur der Gesellschaft dient.
Im Kapitalanlagerecht ist ein Verstoß gegen die Erlaubnispflicht des § 32 Abs. 1 S. 1 KWG wegen unerlaubter Bankgeschäfte in Verbindung mit § 823 Abs. 2 BGB ein eindeutig nachzuweisendes schadensbegründendes Ereignis. Die Erlaubnis liegt entweder vor oder eben auch nicht. Hier besteht kein Wertungsspielraum für die Gerichte, wie bei oft eher schwer nachzuweisenden und zu belegenden Beratungsfehlern. Daher wird an dieser Stelle eher darum gestritten, ob eine Norm überhaupt ein Schutzgesetz ist oder ein tatbestandsausschließender Verbotsirrtum vorliegt. Die Klarstellung des BGHs, dass es sich bei der Regelung nach § 32 Abs. 1 S. 2 KWG um ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB handelt, ist daher ein Erfolg für alle Kapitalanleger.
Besonders von Bedeutung ist hierbei der Verstoß gegen das Bankgeschäft als Einlagengeschäft nach § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Alternative 2 KWG. Das Gesetz definiert das erlaubnispflichtige Bankgeschäft in der Form des Einlagengeschäft als die Annahme fremder Gelder als Einlagen oder anderer unbedingt rückzahlbarer Gelder des Publikums, sofern der Rückzahlungsanspruch nicht in Inhaber- oder Orderschuldverschreibungen verbrieft wird, ohne Rücksicht darauf, ob Zinsen vergütet werden (Einlagengeschäft).
Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 16.10.2018 – VI ZR 459/17 und 10.07.2018 – VI ZR 263/17 entschieden, dass unter die Annahme von Geldern nicht nur Geld als solches, sondern auch die Abtretung von Lebensversicherungen fallen.
„Eine Annahme von Geldern im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Alternative 2 KWG ist aber auch dann gegeben, wenn die Anleger nicht unmittelbar Bar- oder Buchgeld beim Kapitalnehmer einzahlen, sondern ihm (nur) Rechte und Ansprüche aus von ihnen gehaltenen Kapitallebensversicherungen abtreten, Zweck dieser Rechtsübertragung aber die Vereinnahmung des Rückkaufswertes durch den Kapitalnehmer ist und den Anlegern das den Rückkaufswert betreffende Auszahlungsrisiko nach den vertraglichen Vereinbarungen verbleibt (vgl. das nach Verkündung des angefochtenen Urteils ergangene Senatsurteil vom 10. Juli 2018 – VI ZR 263/17, ZIP 2018, 1678 Rn. 17).“
BGH 16.10.2018 – VI ZR 459/17
Im vorliegenden Fall ging es dabei um ein Geschäftsmodel indem eine AG Lebensversicherungen ankaufte und dafür Geld an den Verkäufer zahlt nach bestimmten Vorgaben auskehrt. Dies ist im Lichte der BGH-Rechtsprechung ein Einlagengeschäft und bedarf daher der Erlaubnis nach dem § 32 KWG. Liegt diese nicht vor, ist der Vertrieb ein Verstoß gegen die Erlaubnispflicht und bildet eine Pflichtverletzung im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB.
Im Verfahren vom 10.07.2018 – VI ZR 263/17 hat der BGH eine Haftung nach § 823 BGB i.V.m. einem Verstoß gegen § 1 Abs. 2 S. 1 KWG allerdings zunächst an einem tatbestandsausschließenden Verbotsirrtum scheitern lassen. Mit diesem Umstand wird sich auch das Berufungsgericht im Verfahren vom BGH vom 16.10.2018 – VI ZR 459/17 im Rahmen der Zurückweisung auseinanderzusetzen haben. Allerdings hat der BGH in seinem Verfahren auch an dieser Stelle nicht abschließend entschieden und im Rahmen ggf. weiteren Vortrag dem KG Berlin die Möglichkeit eröffnet, den Verbotsirrtum abzulehnen.
„Denn einem Verbotsirrtum unterliegt nicht, wer weiß, dass sein Handeln gegen irgendeine Verbotsnorm verstößt (vgl. nur Senatsurteil vom 16. Mai 2017 – VI ZR 266/16, NJW 2017, 2463 Rn. 25 mwN).“
BGH 10.07.2018 – VI ZR 263/17
Der BGH hat insoweit zudem eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Satz 1, §§ 3, 10 Abs. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 2 RDG, § 9 Abs. 1 OWiG offengelassen. Dabei handelt es sich um einen Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz im Rahmen einer Inkassotätigkeit ohne Erlaubnis. Damit werden sich entsprechend ebenfalls die Vorinstanzen nach der Zurückverweisung zu befassen haben.
Für einen unbefangenen Kapitalanleger ist auf den ersten Blick nicht leicht zu erkennen, ob eine ihm angebotene Kapitalanlage ein Bankgeschäft ist und daher ggf. ein Verstoß gegen § 32 KWG vorliegt. Liegt hingegen aber ein Verstoß vor, kann dies sodann Schadensersatzansprüche gegenüber dem Anbieter auslösen. Nachdem es sich bei der Erlaubnis nach dem KWG um einen harten Fakt handelt und keinen interpretationsbedürftigen Umstand, ist hier die schadensbegründende Pflichtverletzung regelmäßig einfacher zu belegen als etwa ein Verstoß gegen die nicht anleger- und objektgerechte Beratung einer Kapitalanlage im Sinne der BGH-Rechtsprechung.