Saarländisches Oberlandesgericht entscheidet zugunsten von Darlehensnehmer. Die Bank hat vorliegend keinen Anspruch auf eine Vorfälligkeitsentschädigung, weil die entsprechenden Formulierungen im Darlehensvertrag nicht hinreichend deutlich im Sinne des § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB sind.
In der Sache ging es um ein Verbraucherdarlehen zur Finanzierung einer Immobilie. Geschlossen wurde der Darlehensvertrag 2017. Die Sollzinsbindung galt bis zum Ende der Laufzeit. Der Darlehensnehmer verkaufte die Immobilie jedoch 2020 und löste das Darlehen samt einer von der Bank verlangten Vorfälligkeitsentschädigung i.H.v. 13.768,05 € ab. Mit der Klage verlangte der Darlehensnehmer diese Vorfälligkeitsentschädigung zurückerstattet.
Die Klage hatte bereits in erster Instanz beim Landgericht Saarbrücken (Az. 1 O 363/20) Erfolg. Das Saarländisches Oberlandesgericht wies in zweiter Instanz die hiergegen gerichtet Berufung der Bank mit Urteil vom 26.01.2023 Az. 4 U 134/21 zurück.
Das OLG urteile, dass dem Kläger die Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung zusteht.
„Dem Kläger steht gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 BGB ein Anspruch auf Rückzahlung der an die Beklagte geleisteten 13.768,05 € zu. Die Leistung erfolgte rechtsgrundlos. Eine gesonderte Vereinbarung über die Zahlung eines Vorfälligkeitsentgelts lag ihr nicht zugrunde (dazu unter 1.). Auch als Vorfälligkeitsentschädigung war sie nicht geschuldet, weil ein hierauf bezogener Anspruch der Beklagten gemäß § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB ausgeschlossen ist (dazu unter 2.). Der Anspruch des Klägers scheitert auch weder nach § 814 BGB, noch kann die Beklagte dem Anspruch den Einwand der Verwirkung oder der unzulässigen Rechtsausübung entgegenhalten (dazu unter 3.).“
Saarländisches Oberlandesgericht 26.01.2023 Az. 4 U 134/21
Seit einer für Verbraucher günstigen Gesetzesänderung mit Wirkung zum 21.03.2016 gilt für ab dann geschlossene Immobiliendarlehen die Regelung des § 502 Abs. 2 BGB. Diese war bis dahin lediglich für nicht grundpfandrechtlich besicherte Darlehensverträge anwendbar.
Danach ist der Anspruch der Bank auf eine Vorfälligkeitsentschädigung ausgeschlossen, wenn die Angaben zur Laufzeit des Vertrages, des Kündigungsrechts des Darlehensnehmers oder der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend sind.
Eben jene vertraglichen Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung monierte das Saarländisches Oberlandesgericht in seiner Entscheidung vom 26.01.2023 Az. 4 U 134/21.
Dabei wurden eine Reihe von Formulierungen der Bank als undeutlich bzw. unzureichend vom Gericht angesehen.
1.
Die betroffene Bank nahm in den Vertragsklauseln des Darlehensvertrages Bezug auf eine Wiederanlage des Zurückgezahlten Geldes in Kapitalmarkttiteln öffentlicher Schuldner. Dem OLG nach, war dies nicht hinreichend deutlich bzw. steht im Widerspruch zur BGH-Rechtsprechung.
Konkret führt das OLG in seiner Entscheidung aus:
„Der Berechnung dieses Schadens wird der Darlehensgeber die vom Bundesgerichtshof für zulässig befundene Aktiv-Passiv-Methode zugrunde legen, welche davon ausgeht, dass die durch die Rückzahlung frei gewordenen Mittel laufzeitkongruent in Kapitalmarkttiteln angelegt werden.“
„Der Zinsverschlechterungsschaden als der finanzielle Nachteil aus der vorzeitigen Darlehensablösung, das heißt, die Differenz zwischen dem Vertragszins und der Rendite von Kapitalmarkttiteln öffentlicher Schuldner mit einer Laufzeit, die der Restlaufzeit des abzulösenden Darlehens entspricht.“
Saarländisches Oberlandesgericht 26.01.2023 Az. 4 U 134/21
Das OLG bezieht sich hierbei auf die Bezugnahme auf Kapitalmarkttitel öffentlicher Schuldner. Der BGH hatte bisher in seiner Rechtsprechung zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigungen zwei gängige Berechnungsmethoden zugelassen. Dies ist einmal die Aktiv-Aktiv-Methode und die Aktiv-Passiv-Methode. Vorliegend hatte sich die betroffene Bank für die Aktiv-Passiv-Methode entschieden.
Der BGH stellt bei dieser Berechnungsmethode auf die Wiederanlage in laufzeitkongruente Hypothekenpfandbriefe ab. Vorliegend wurde sich in den Darlehensbedingungen jedoch auf Kapitalmarkttiteln öffentlicher Schuldner bezogen.
Dies sah das OLG in seiner Entscheidung vom 26.01.2023 Az. 4 U 134/21 dementsprechend als unzureichend an.
„Gemessen daran weist die Angabe der Beklagten mit der konkret gewählten Formulierung eine Berechnungsmodalität aus, die mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht im Einklang steht.“
Saarländisches Oberlandesgericht 26.01.2023 Az. 4 U 134/21
2.
Die betroffene Bank hatte in dem Darlehensvertrag zudem bei den Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unter Ziffer 8 der Vertragsbedingungen weiter u.a. ausgeführt, dass ein Faktor bei der Berechnung der Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung die „für die Restlaufzeit des abzulösenden Darlehens sich ergebenden Zinseinbußen“ seien.
Das GEsetz gewährt jedoch Darlehnsnehmern 10 Jahren nach Vollauszahlung des Darlehens mit einer Frist von 6 Monaten ein reguläres Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Maßgeblich für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung bzw. des Zinsausfallschadens der Bank kann daher nur die Zeit zwischen Stichtag der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung und frühest möglichem regulären Rückzahlungstermin sein. Dies wäre sofern keine frühere vertragliche Rückzahlung möglich ist das gesetzliche Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB.
Nach Sicht des OLGs erweckte die Bank im nun entschiedenen Fall mit ihrer Formulierung im Darlehensvertrag jedoch den Eindruck, dass die gesamte prognostizierte Restlaufzeit für die Berechnung des Zinsschadens herangezogen werden könnte.
„Dies ist geeignet, den Darlehensnehmer von einer vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens abzuhalten, da eine auf die gesamte restliche Vertragslaufzeit berechnete Vorfälligkeitsentschädigung regelmäßig höher ausfallen wird.“
Saarländisches Oberlandesgericht 26.01.2023 Az. 4 U 134/21
Nach Sicht des OLGs handelte es sich mithin auch hier um eine fehlerhafte Formulierung hinsichtlich der Berechnungsgrundlage der Vorfälligkeitsentschädigung.
3.
Das OLG beanstandete noch eine weitere Formulierung zur Berechnung der von der Bank geltend gemachten Vorfälligkeitsentschädigung und hielt diese für bedenklich.
Dabei ging es darum, dass laut OLG nicht klar sei, ob vertragliche Sondertilgungsrechte Einfluss auf die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung bzw. den prognostizierten Zinsschaden der Bank haben oder nicht.
Das OLG weist darauf hin, dass aus den Formulierungen der Bank nicht ersichtlich sei, dass „die berechtigte Zinserwartung und damit der Zinsschaden auch durch die vereinbarten Sondertilgungsrechte beeinflusst werden“.
Das Gericht stellt darauf ab, dass Sondertilgungsrechte, sofern sie bestehen, bei einer hypothetischen Abrechnung des Darlehens, soweit es den Zinsschaden angeht, zu berücksichtigen sind.
Betroffen Darlehensnehmer, die entsprechende Formulierungen in ihrem Darlehensvertrag haben, wie sie vom Saarländisches Oberlandesgericht in seinem Urteil vom 26.01.2023 Az. 4 U 134/21 genannt werden, wären daher im Rahmen einer berechtigten Rückzahlung nicht verpflichtet eine Vorfälligkeitsentschädigung zu leisten.
Bemerkenswert an dem Urteil des Saarländisches Oberlandesgericht vom 26.01.2023 Az. 4 U 134/21 ist ferner, dass das OLG die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen hatte. Die betroffene Bank hat allerdings von dieser Möglichkeit nicht Gebraucht gemacht. Das Urteil ist rechtskräftig geworden. Dies unterstreicht die Bedeutung des Urteils.
Damit steht das Urteil in einer Linie positiver Urteile für Verbraucherdarlehensnehmer wie das Urteil des OLG Frankfurt vom 01.07.2020 Az. 17 U 810/19. Dort hatte der Darlehensnehmer ebenfalls Erfolgt und die Bank musste die Vorfälligkeitsentschädigung zurückerstatten.