Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied heute, dass die als sogenannte Policenmodelle bis Ende 2007 verkauften Versicherungen grundsätzlich nicht gegen europäische Richtlinien verstoßen. Dabei ging es einmal mehr darum, ob ein Versicherungskunde der erst den Versicherungsvertrag gekündigt und Jahre später den Widerruf (im Versicherungswesen Widerspruch) erklärt hatte, Anspruch auf die volle Rückzahlung seiner Beiträge hat. Eine Vorlage zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) lehnte der Bundesgerichtshof ab.
Hinsichtlich einer fehlerhaften Belehrung bezüglich des Widerspruchsrechts des Kunden hatten der BGH und der EuGH bereits positiv zugunsten der Kunden entschieden. Hierzu sei auf meine Ausführungen im Artikel „BGH entscheidet zum Widerruf von Lebensversicherungen zugunsten der Versicherten“ und „Der EuGH entscheidet zugunsten der Versicherten bei Lebensversicherungen“ verwiesen.
Wurde der Kunde jedoch ordnungsgemäß nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. über sein Widerspruchsrecht aufgeklärt und hat dieses nicht wahrgenommen, so hat er später keinen Anspruch auf Rückerstattungen seiner Beiträge, weil der Vertrag insgesamt rechtswidrig ist, sondern nur Anspruch auf den Rückkaufswert. Damit dürfte die Versicherungsbranche aufatmen, andernfalls wären Millionen von Versicherungspolicen die zwischen 1994 und 2007 verkauft worden wären unwirksam geworden und Kunden hätten ihr Geld zurück verlangen können. Bei dem sogenannten Policenmodell handelte es sich um Versicherungsverträge, die erst verkauft wurden und der Kunde den Vertrag unterschrieb, ohne dass er die vollständigen Vertragsunterlagen vorgelegt bekommen hatte. Diese wurden erst später in der Regel mit der Post zugestellt. Um den Versicherungsnehmer dennoch vor ungewollten Versicherungen zu schützen, sah der § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. daher ein zeitich begrenztes (zuletzt 14tägiges bzw. bei Lebensversicherungen 30tägiges Widerspruchsrecht) vor. Heute entschied der BGH in dem Verfahren Az. IV ZR 73/13 das diese Praxis grundsätzlich rechtmäßig war und nicht gegen die damals geltenden europarechtlichen Vorgaben verstoßen hat.
Für Versicherungen die ab 2008 geschlossen wurden, entfaltet diese Rechtsprechung keine Relevanz, weil ab hier ein neues VVG galt und ein Verkauf nach dem Policenmodell nicht mehr möglich war.
Grundsätzlich ist dies zwar ein Rückschlag insbesondere für Lebensversicherungskunden, die vorzeitig aus ihrem Vertrag ausgestiegen sind, allerdings bleibt die bestehende Rechtsprechung zur fehlerhaften Aufklärung über das Widerspruchsrecht von dem heutigen Urteil völlig unberührt.
Versicherungsnehmer, die demnach irreführend oder falsch bzw. mit einer fehlerhaften Widerspruchsbelehrung in der Zeit von 1995 bis 2007 eine Lebensversicherung geschlossen haben, können diese auch heute noch Widerrufen. Der Vorteil bei einem Widerruf gegenüber einer Kündigung ist der, dass nicht der Rückkaufswert, sondern alle geleisteten Beiträge zurückgezahlt werden müssen.